Entscheidung des BVerfG in Sachen ZDF-Staatsvertrag

Die Arbeitsgemeinschaft der Redakteursausschüsse der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland (AGRA) nimmt zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Sachen ZDF-Staatsvertrag Stellung:

Die Redakteursausschüsse der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten begrüßen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ZDF-Staatsvertrag. Karlsruhe hat den Einfluss von Staat und Parteien auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erfreulich klar begrenzt. Nur ein Drittel der Mitglieder in Fernsehrat, Verwaltungsrat und deren Ausschüssen dürfen Vertreter des Staates sein. Betroffen ist ausdrücklich nicht nur das ZDF, denn es ist bei der Drittelung allgemein vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk und expressis verbis auch von „Rundfunkräten“ die Rede. Die Landesgesetzgeber wären gut beraten, die Gremienzusammensetzung der anderen öffentlich-rechtlichen Anstalten ebenfalls zu prüfen, die Mitgliedschaft von Staatsvertretern entsprechend zu ändern und sich dabei an der sehr engen Frist für den ZDF-Staatsvertrag zu orientieren.

Die Redakteursausschüsse begrüßen auch, dass das Bundesverfassungsgericht nun unzweifelhaft definiert hat, wer zum „Staat“ zu rechnen ist. Bisher war das in allen Diskussionen immer umstritten. In seiner „funktionalen Betrachtung“ hat Karlsruhe nun entschieden: Es sind Mitglieder von Bundes- und Landesregierungen, Abgeordnete jeglicher Parlamente, politische Beamte und Wahlbeamte, sogar Bürgermeister und Landräte sowie Parteimitglieder in höherer Position, die sich um Ämter bewerben. Sie alle haben die Möglichkeit, den Rundfunk zum Zwecke des Machterwerbs oder Machterhalts zu instrumentalisieren. Das ist sehr nah an der Realität und die Entscheidung des Verfassungsgerichts dagegen sehr weit gehend.

Ein deutliches Signal ist auch die Aufforderung, dass die einflussreichen Vorsitzenden der Ausschüsse nicht nur Politiker sein dürfen. Auch dort sei eine „plurale Besetzung“ zu beachten, um die nötige Staatsferne zu garantieren. Auch das gilt für ZDF wie ARD und Deutschlandradio.

Bestärkt sieht sich die AGRA in ihrer Haltung, dass die in den Gremien vertretenen „gesellschaftlichen Gruppen“ tatsächlich die Gesellschaft nicht mehr hinreichend widerspiegeln. In der nun anstehenden Diskussion über die künftige Gremienzusammensetzung bei ZDF, ARD und Deutschlandradio sollte auch darüber nachgedacht werden, wie eine direkte Beteiligung von Zuschauerkreisen ermöglicht wird; Modelle dafür gibt es bei BBC und ORF.

Wir Redakteure begrüßen ferner, dass das Bundesverfassungsgericht den Rundfunk ausdrücklich nicht als Auslaufmodell betrachtet: Der Rundfunk sei durch das Internet nicht überholt, er dürfe „technisch nicht auf einen bestimmten Entwicklungsstand“ festgeschrieben werden. Auch das sind klare Worte.

Erneuert hat das Bundesverfassungsgericht seinen Standpunkt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk innerhalb des dualen Rundfunksystems die inhaltliche Vielfalt zu sichern hat, weil kommerzielle Anbieter dies gar nicht gewährleisten wollen und können. Dem Versuch der Privatsender, die öffentlich-rechtliche Konkurrenz auf eine unattraktive „Mindestversorgung“ oder ein „Ausfüllen von Lücken und Nischen“ zu beschränken, wird damit eine höchstrichterliche Absage erteilt. Die AGRA begrüßt diese Klarstellungen sehr und hofft, dass die ständigen Attacken der Privatrundfunkanbieter und ihrer Verbände damit endlich ein Ende haben.

Wichtig ist noch die starke Hervorhebung des Binnenpluralismus, der im Zentrum der Argumentation steht. Dazu erinnern die Redakteursausschüsse an BVerfGE 83, 238 – 6. Rundfunkentscheidung vom 5. Februar 19911: Damals hat der Erste Senat die besondere Stellung der Redakteure betont: „Durch eine darüber hinausgehende Redakteursbeteiligung an der Programmgestaltung und -verantwortung soll innerhalb des arbeitsteiligen Unternehmens Rundfunk diejenige Berufsgruppe gestärkt werden, die den Auftrag des Rundfunks, Medium und Faktor der Meinungsbildung zu sein, unmittelbar erfüllt. Deswegen handelt es sich bei der Redakteursbeteiligung nicht um die Einräumung externen Einflusses, sondern um interne Mitsprache bei der Wahrnehmung der von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Funktion. Als solche wird sie den Redakteuren nicht im Interesse ihrer Selbstverwirklichung im Beruf oder zur Durchsetzung ihrer subjektiven Auffassungen eingeräumt, sondern zur Erfüllung ihrer Vermittlungsfunktion.“ Daraus leiten wir ab, dass ein Redaktionsstatut bei der Umsetzung der Forderung nach Binnenpluralismus helfen würde.

Wir regen darum an, bei der Novellierung des ZDF-Staatsvertrags auch ein Redaktionsstatut gesetzlich zu verankern. Gleiches gilt für alle ARD-Anstalten, die noch kein Redaktionsstatut haben, konkret MDR und BR. Dabei empfiehlt die AGRA, dass die Redaktionsstatute nicht einseitig von den Intendanten erlassen werden, sondern in enger Zusammenarbeit mit den bestehenden Redakteursvertretungen und/oder dem Personalrat erarbeitet werden, wie dies etwa beim SWR derzeit geschieht.

Im Wortlaut der Entscheidung folgt das Bundesverfassungsgericht auch der Argumentation der AGRA-Stellungnahme vom 14.11.2011.

  1. 1 BvF 1/85, 1/88; Anlass: Lokaler Rundfunk in NRW neben WDR

Der ZDF-Staatsvertrag auf dem Prüfstand

Das BVerfG verhandelte am 5.11.2013 recht unterhaltsam die Praxis der beiden Gremien Fernsehrat und Verwaltungsrat. Dabei kam, für die AGRA nicht überraschend, zum Vorschein, dass die reine Zahl der staatsnahen Mitglieder allein kein Indiz für deren Einfluss ist.

In der Normenkontrollklage der Länder Rheinland-Pfalz und Hamburg wird zwar schon die zu große Zahl der Gremienmitglieder, die von staatlichen Stellen berufen werden, beanstandet, die in der Praxis zu einem beherrschenden staatlichen Einfluss der Meinungs- und Willensbildung in den Gremien führen könnte. Die überwiegende Besetzung der Ausschüsse und ihres Vorsitzes mit Politikern erhöht den staatlichen Einfluss weiter.

Zeitlich den größten Raum nahm mit zwei Stunden am Vormittag die Runde in Anspruch, in der die Richter sich für die tatsächlichen Entscheidungsprozesse interessierten. So stellte sich schnell heraus, dass die von der AGRA in ihrer Stellungnahme vom 14.11.2011 problematisierten Freundeskreise eine weitaus entscheidendere Funktion haben, als von Außenstehenden vermutet werden kann. Die beiden Freundeskreise sind bemerkenswerterweise nur in den beiden großen politischen Lager verortet. In den ersten Antworten der befragten Mitglieder (Bundesminister a.D. Franz-Josef Jung, Marc-Jan Eumann, …) ging es noch um die Expertise, die erfahrene Politiker mit den großen ihnen im Rücken stehenden Apparaten haben. Die Vertreter kleinerer Verbände können so am Tag vor den Sitzungen, in denen die Entscheidungen fallen, mit den „notwendigen“ Informationen versorgt werden.

Die Richter verstanden es im Folgenden, durch Fragen Widersprüche aufzudecken und so im Gesamtbild starke Anhaltspunkte dafür erkennbar zu machen, dass die eigentlichen Entscheidungen in den Freundeskreisen fallen, zu denen sich die Mitglieder jeweils ad personam bekennen. Die geschilderten personellen Wechsel von einem in den anderen Freundeskreis spiegelten jeweils auch Koalitionswechsel in Landesparlamenten wider. In Zeiten großer Koalitionen dürfte die Argumentation der Antragsgegner (die Länder Sachsen, Bayern, Hessen und das Saarland) noch weniger verfangen. Denn die machten geltend, dass sich Politiker selten einig seien und deshalb immer eine Brechung der zahlenmäßigen Mehrheit stattfindet. Die Argumentation der Antragssteller brachte deren Bevollmächtigter, Prof. Wolfgang Schulz auf den Punkt, indem er das BVerfG zitiert: „Meinungsbildung muss von unten nach oben verlaufen und nicht von oben nach unten.“ In diesem Gebot gehe es um die Risikovorsorge. Es soll keine Möglichkeit geben, in der sich die Staatsvertreter einigen können, um etwas durchzusetzen.

Der Intendant des ZDF, Thomas Bellut, stellte in seiner ersten Stellungnahme klar, dass sich das ZDF in diesem Verfahren weder den Antragsstellern noch der Gegenseite zugehörig fühlt. Zum Verhandlungsgegenstand wolle man konstruktiv beitragen. Eine Stärkung des ZDF könne er sich aber durch ein Direktentsendungsrecht der Verbände vorstellen. Im bestehenden Staatsvertrag hätten diese nur ein Listen-Vorschlagsrecht. Die eigentliche Benennung erfolgt durch die Ministerpräsidenten.

Die Rolle der Ausschüsse besteht nach Aussage des Intendanten in der Vorbereitung der Gremienentscheidungen. Die Entscheidungsvorlagen entstehen einvernehmlich zwischen den Ausschussvorsitzenden und dem Intendanten. Von den Vorsitzenden der acht Ausschüsse verortet das BVerfG sechs staatsnah. Bellut: „Das ZDF nimmt das hin.“

Die Frage des Verfassungsrichters Reinhard Gaier, inwieweit die Freundeskreise wahrnehmbar seien wollte der ZDF-Intendant nicht kommentieren. Aus der Innenansicht sei ein Einfluss der Freundeskreise nicht wahrnehmbar. Allerdings nimmt der Intendant meist an den Sitzungen des konservativen von Franz-Josef Jung geführten Freundeskreises, der Verwaltungsdirektor an denen des anderen von Christine Bergmann geführten teil.

Auf die Frage des Verfassungsrichters Michael Eichberger bestätigt der Intendant, dass die Aussprache in den Freundeskreisen und den Ausschüssen offener ist als im Plenum der Gremien. Die hohe Bedeutung der Gremien besteht in Personalentscheidungen. Das breite Stimmungsbild sei im Alltag wichtig. Neben dem Intendanten, der bisweilen auch in den anderen (roten) Freundeskreis geht, gehen die Direktoren selten und nur mit Zustimmung des Intendanten in Freundeskreise.

Der Beauftragte der Bundestagsfraktionen, Dieter Dörr, zitiert aus dem Kapitel „Von Freunden umstellt“ in Dieter Stoltes Buch „Mein Leben mit dem ZDF“1. Er zitiert eine Stelle, in der die Rede davon ist, dass der Intendant am Abend vor einer Gremiensitzung vom CDU-Freundeskreis eingenordet werden sollte. Auch wenn die heutige Praxis anders aussehen mag, funktionierten die Mechanismen auf derselben rechtlichen Grundlage. Dem widerspricht Franz Josef Jung als Vorsitzender des, wie er es nennt bürgerlichen Freundeskreises. Heute sei die Situation anders als damals.

Angesichts gleicher gesetzlicher Grundlagen wundert sich die Verfassungsrichterin Susanne Baer über die geschilderte Praxis, dass in den Freundeskreisen und Ausschüssen offen diskutiert, dann aber in den Gremiensitzungen einstimmig beschlossen würde und fragt nach der Besetzung der Ausschüsse.

Der Vorsitzende des Finanzausschusses, Hans-Günter Henneke, nennt als Beispiel den Chefredakteursausschuss, in den sich vor allem die staatsfernen Mitglieder gedrängt hätten. Nachdem der vorsitzende Verfassungsrichter Kirchhoff als weiteres Beispiel den nur zu einem Drittel staatsnah besetzten Telemedienausschuss genannt hat nennt Hans-Günter Henneke, die Praxis des Jung-Freundeskreises. Hier werden die Kandidaten mit Stimmzetteln ermittelt.

Im Verlauf der Verhandlung stellt sich u. a. bei der Befragung des Vertreters des Beamtenbundes, Peter Heesen, heraus, dass es in den Freundeskreisen heftige Kontroversen und knappe Entscheidungen gibt.

Der Verfassungsrichter Reinhard Gaier stellt klar, dass das BVerfG nicht zu entscheiden hat, ob die Gremienarbeit zurzeit gut ist. Es stelle sich aber die Frage, warum die offenen Diskussionen nicht im Plenum geführt würden.

Johannes Beermann schildert, dass Vorlagen zuerst in den Ausschüssen und dann erst in den Freundeskreisen behandelt werden.

Marc Jan Eumann nennt im Vergleich die Situation im WDR. Dort gibt es vier Freundeskreise (rot, schwarz, grau, gewerkschaftlich). Die Rechtsaufsicht über den WDR findet durch die Staatskanzlei statt. In den Gremien ist die Zahl der Staatsvertreter aber begrenzt.

Der ZDF-Intendant, Thomas Bellut, ergänzt, dass die Freundeskreise keine Erfindung des ZDF seien, sondern von den Gremien selbst so zur Meinungsbildung vor den entscheidenden Gremiensitzungen organisiert worden seien.

Der zweite Teil der Verhandlung befasst sich mit der Auswahl und Abberufung der Gremienmitglieder.

Darüber wird hier nicht ausführlich berichtet.

Der Bevollmächtigte des ZDF, Gernot Lehr, betont, dass die Staatsferne des ZDF von seinen Mitarbeitern mit Leben gefüllt werde. Das ZDF finde die Gremien und Freundeskreise vor. Quoren seien dann als kritisch anzusehen, wenn sie Programmentscheidungen verhindern würden. Gut hingegen seien Quoren, um einen breiten gesellschaftlichen Konsens bei der Wahl des Intendanten herzustellen.

Interessant auch der am Rande geäußerte Vorschlag, das ZDF könne durch interne Satzungsregelungen ebenfalls die Staatsferne herstellen.

Der Bevollmächtigte der Bundestagsfraktionen, Dieter Doerr, betont in seiner Schlussstellungnahme, dass der Öffentlich-rechtliche Rundfunk der Gesellschaft gehört und es demnach auch erlaubt sein muss, staatliche Stellen in geringem Umfang dort repräsentiert sein darf. Maßgeblicher staatlicher Einfluss sei aber verboten und schon die Möglichkeit des Missbrauchs muss verhindert werden. Außerdem gebe es keinen sachlichen Grund, warum Vertreter der Bundesregierung in den ZDF-Gremien vertreten sein sollten.

Nach dem Ende der mündlichen Verhandlung wurde im Kreis der Beobachter über den möglichen Tenor einer Entscheidung diskutiert. Denn die ausführlich behandelte Staatsferne allein ist ja keine Lösung zumal in einem solchen Fall die Marktmacht an die Stelle der Staatsmacht treten könnte. Um die Frage nach dem öffentlichen Auftrag zu beantworten, wird das Konzept für einen maßvollen Staat gesucht. Was kann der Staat leisten und wo muss er sich zurückhalten? Welche Grundsätze wird das BVerfG in dieser Entscheidung aufstellen und wird es dabei im Einklang mit seiner bisherigen Rechtssprechung bleiben, in der die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als Medium und Faktor der freien Meinungsbildung herausgestellt worden sind?

Woher die Rundfunkgremien ihre bislang unzureichende Kompetenz2 beziehen können, sollte mitentschieden werden.

Die AGRA weist noch einmal auf einen speziellen Aspekt in ihrer Stellungnahme hin, mit der die Abhängigkeit der Rundfunkanstalten von der Exekutive über den hier verhandelten Sachverhalt hinaus gemildert werden kann. Redaktionsstatute könnten die Einflussmöglichkeit auf das Programm entschärfen. Rundfunkanstalten könnten neben der Besetzung der Ausschüsse auch die Existenz von Redaktionsstatuten in Satzungen festhalten.

Linksammlung / Presseschau


  1. Dieter Stolte: „Mein Leben mit dem ZDF. Geschichte und Geschichten, Nicolai Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-89479-741-6
  2. Selbstbewusste Gremlins, Die Rundfunkräte müssen transparenter werden epd 26.4.2013 (Seite 5ff) von Fritz Wolf

Kein Einzelfall

Nach dem Rücktritt Rückkehr zum Alltag? Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Redakteursausschüsse (AGRA) warnt davor, den Versuch der Einflussnahme auf die Berichterstattung des ZDF zu verharmlosen. Zwar handelt es sich bei dem Vorgehen des bisherigen CSU-Pressesprechers um einen besonders dreisten Fall. Gleichwohl ist der Eindruck falsch, es handele sich um eine Ausnahme.

Tatsächlich berichten die Kolleginnen und Kollegen von ARD und ZDF den Redakteursausschüssen immer wieder von ähnlichen Übergriffen – von Anrufen aus Parteizentralen und Staatskanzleien mit dem Ziel, missliebige Berichte zu verhindern. Häufig erzielen diese Anrufe den erwünschten Effekt und kommen nur deshalb nicht ans Licht, weil die betroffenen Kolleginnen und Kollegen massive persönliche Konsequenzen für sich fürchten. Nur in seltenen Fällen werden diese Vorgänge in den betreffenden Häusern aufgearbeitet.

Die AGRA fordert deshalb die Intendanten, Direktoren und Redaktionsleiter von ARD und ZDF auf, sich in ihren Redaktionen unmissverständlich zu der Unabhängigkeit der Berichterstattung zu bekennen und jeden Versuch zurückzuweisen, die Berichterstattung zu beeinflussen. Die Glaubwürdigkeit und der Bestand der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten basieren auf ihrer Unabhängigkeit und der hohen Qualität der Berichterstattung. Werden diese Grundsäulen geschwächt, verlieren ARD und ZDF ihre Daseinsberechtigung.

Wir erinnern an unsere Erklärung vom September 2011 und stellen abermals fest, dass der staatliche Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unverändert hoch ist. Staatskanzleien, Parteizentralen, Rundfunkräte und Freundeskreise wirken in einer Weise auf die Berichterstattung ein, die im klaren Widerspruch zum Prinzip der Freiheit der Berichterstattung stehen. Eine Begrenzung des Einflusses der Parteien in den Kontrollgremien ist deshalb dringend geboten.

Die AGRA dankt den Kolleginnen und Kollegen vom ZDF für ihre souveräne Reaktion auf die versuchte Einflussnahme der CSU. Sie ermutigt uns, noch entschiedener für die Unabhängigkeit der Redakteure in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einzutreten. Als ein wichtiges Instrument haben sich in vielen Anstalten staatsvertraglich verankerte Redaktionsstatute erwiesen. Starke Redakteursausschüsse fördern die offene Debatte über kritischen Journalismus und unterstützen sie gerade da, wo einzelne Kolleginnen und Kollegen Angst vor offenem Widerspruch haben. Wir ermutigen deshalb diejenigen Rundfunkanstalten ohne Redaktionsstatut, sich den positiven Erfahrungen anderer Häuser zu öffnen.

Stellungnahme der AGRA zum Normenkontrollantrag zum ZDF-Staatsvertrag

Söder calling: Systemproblem bei ARD und ZDF? (Zapp, 7.11.2012)

ZDF-Redaktion widersteht politischem Druck

Ein Anruf des CSU-Pressesprechers bei der „heute“-Redaktion – aber der Kollege bleibt unbeirrt! Das werten wir als Beweis für journalistische Unabhängigkeit und persönliche Souveränität. Dem betreffenden Kollegen wollen wir daher öffentlich unseren Respekt ausdrücken und alle anderen ermutigen, ebenso standhaft jeglichen Einschüchterungsversuchen zu widerstehen.

Theoretisch müsste die Unabhängigkeit bei einem Redakteur eines öffentlich-rechtlichen Senders selbstverständlich sein. Praktisch jedoch stehen zahlreiche Arbeitnehmer oder „arbeitnehmerähnliche Freie“ derzeit unter dem Druck des Einstellungsstopps oder unter dem Druck drohender Karriereknicke bei mangelndem Wohlverhalten.

Um so wichtiger finden wir, wenn Kollegen sich nicht beirren lassen. Wir freuen uns, dass unsere „heute“-Kollegen unabhängig gemäß rein journalistischer Kriterien entschieden und dafür die Rückendeckung ihres Chefredakteurs bekommen haben.

Bei dieser Gelegenheit wollen wir aber auch an einige Voraussetzungen für unabhängigen „Qualitätsjournalismus“ erinnern:

  • Redakteurinnen und Redakteure dürfen keine Angst vor Repressalien haben. Sie müssen darum sichere Jobs haben; drohende „Beendigungen“ oder das Damoklesschwert geringeren Beschäftigungsumfangs sind Gift für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
  • Redakteurinnen und Redakteure müssen sich auf die Unabhängigkeit und die Rückendeckung ihrer Vorgesetzten verlassen können; die innere Pressefreiheit fängt darum bei der parteiunabhängigen Besetzung von Führungspositionen an.
  • Redakteurinnen und Redakteure müssen sich im Zweifelsfall gegen alle Einflussnahmen wehren können; staatsvertraglich oder gesetzlich verankerte Redaktionsstatute, die die innere Pressefreiheit garantieren, sollten für alle Sender selbstverständlich sein.