Kein Einzelfall

Nach dem Rücktritt Rückkehr zum Alltag? Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Redakteursausschüsse (AGRA) warnt davor, den Versuch der Einflussnahme auf die Berichterstattung des ZDF zu verharmlosen. Zwar handelt es sich bei dem Vorgehen des bisherigen CSU-Pressesprechers um einen besonders dreisten Fall. Gleichwohl ist der Eindruck falsch, es handele sich um eine Ausnahme.

Tatsächlich berichten die Kolleginnen und Kollegen von ARD und ZDF den Redakteursausschüssen immer wieder von ähnlichen Übergriffen – von Anrufen aus Parteizentralen und Staatskanzleien mit dem Ziel, missliebige Berichte zu verhindern. Häufig erzielen diese Anrufe den erwünschten Effekt und kommen nur deshalb nicht ans Licht, weil die betroffenen Kolleginnen und Kollegen massive persönliche Konsequenzen für sich fürchten. Nur in seltenen Fällen werden diese Vorgänge in den betreffenden Häusern aufgearbeitet.

Die AGRA fordert deshalb die Intendanten, Direktoren und Redaktionsleiter von ARD und ZDF auf, sich in ihren Redaktionen unmissverständlich zu der Unabhängigkeit der Berichterstattung zu bekennen und jeden Versuch zurückzuweisen, die Berichterstattung zu beeinflussen. Die Glaubwürdigkeit und der Bestand der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten basieren auf ihrer Unabhängigkeit und der hohen Qualität der Berichterstattung. Werden diese Grundsäulen geschwächt, verlieren ARD und ZDF ihre Daseinsberechtigung.

Wir erinnern an unsere Erklärung vom September 2011 und stellen abermals fest, dass der staatliche Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unverändert hoch ist. Staatskanzleien, Parteizentralen, Rundfunkräte und Freundeskreise wirken in einer Weise auf die Berichterstattung ein, die im klaren Widerspruch zum Prinzip der Freiheit der Berichterstattung stehen. Eine Begrenzung des Einflusses der Parteien in den Kontrollgremien ist deshalb dringend geboten.

Die AGRA dankt den Kolleginnen und Kollegen vom ZDF für ihre souveräne Reaktion auf die versuchte Einflussnahme der CSU. Sie ermutigt uns, noch entschiedener für die Unabhängigkeit der Redakteure in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einzutreten. Als ein wichtiges Instrument haben sich in vielen Anstalten staatsvertraglich verankerte Redaktionsstatute erwiesen. Starke Redakteursausschüsse fördern die offene Debatte über kritischen Journalismus und unterstützen sie gerade da, wo einzelne Kolleginnen und Kollegen Angst vor offenem Widerspruch haben. Wir ermutigen deshalb diejenigen Rundfunkanstalten ohne Redaktionsstatut, sich den positiven Erfahrungen anderer Häuser zu öffnen.

Stellungnahme der AGRA zum Normenkontrollantrag zum ZDF-Staatsvertrag

Söder calling: Systemproblem bei ARD und ZDF? (Zapp, 7.11.2012)

ZDF-Redaktion widersteht politischem Druck

Ein Anruf des CSU-Pressesprechers bei der “heute”-Redaktion – aber der Kollege bleibt unbeirrt! Das werten wir als Beweis für journalistische Unabhängigkeit und persönliche Souveränität. Dem betreffenden Kollegen wollen wir daher öffentlich unseren Respekt ausdrücken und alle anderen ermutigen, ebenso standhaft jeglichen Einschüchterungsversuchen zu widerstehen.

Theoretisch müsste die Unabhängigkeit bei einem Redakteur eines öffentlich-rechtlichen Senders selbstverständlich sein. Praktisch jedoch stehen zahlreiche Arbeitnehmer oder “arbeitnehmerähnliche Freie” derzeit unter dem Druck des Einstellungsstopps oder unter dem Druck drohender Karriereknicke bei mangelndem Wohlverhalten.

Um so wichtiger finden wir, wenn Kollegen sich nicht beirren lassen. Wir freuen uns, dass unsere “heute”-Kollegen unabhängig gemäß rein journalistischer Kriterien entschieden und dafür die Rückendeckung ihres Chefredakteurs bekommen haben.

Bei dieser Gelegenheit wollen wir aber auch an einige Voraussetzungen für unabhängigen “Qualitätsjournalismus” erinnern:

  • Redakteurinnen und Redakteure dürfen keine Angst vor Repressalien haben. Sie müssen darum sichere Jobs haben; drohende „Beendigungen“ oder das Damoklesschwert geringeren Beschäftigungsumfangs sind Gift für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
  • Redakteurinnen und Redakteure müssen sich auf die Unabhängigkeit und die Rückendeckung ihrer Vorgesetzten verlassen können; die innere Pressefreiheit fängt darum bei der parteiunabhängigen Besetzung von Führungspositionen an.
  • Redakteurinnen und Redakteure müssen sich im Zweifelsfall gegen alle Einflussnahmen wehren können; staatsvertraglich oder gesetzlich verankerte Redaktionsstatute, die die innere Pressefreiheit garantieren, sollten für alle Sender selbstverständlich sein.